Montag, 09. März 2020 (Main Echo)

Klingenberg/Trennfurt. Es ist selten, aber es gibt sie: die Konzerte, bei denen sich nach zwei Stunden mitreißender Musik 500 Musikfreunde mit strahlenden Gesichtern und offensichtlich wunschlos glücklich auf den Heimweg machen. Am Samstagabend war das so, als das Polizeiorchester Bayern unter der eleganten, souveränen Leitung von Prof. Johann Mösenbichler den Facettenreichtum und die Faszination symphonischer Blasmusik zelebrierte. „Frühlingserwachen“ lautete der Titel des Benefizkonzerts, dessen Reingewinn dem Kinder- und Jugendhospizdienst Miltenberg und der Jugendarbeit des Musikvereins Röllfeld zugute kommt. Der hatte mit viel Einsatz und großem ehrenamtlichem Engagement die Dreifachhalle in Trennfurt in einen passenden Konzertsaal für das Orchester mit seinen 45 Berufsmusikerinnen und –musikern aus zwölf Ländern verwandelt und bescherte mit diesem Abend sich selbst und vor allem seinen Freunden das schönste Geschenk zum 100.Geburtstag des Musikvereins, das sich denken lässt.

Es stimmte einfach alles an diesem Abend, den die intensiven, zarten Klänge der „Kirkpatrick Fanfare“ einläuteten, bevor sich schnell und bruchlos die kraftvolle Dynamik entwickelte – ein schöner Vorgeschmack auf die großen Qualitäten des Orchesters, das unter Mösenbichlers Leitung die feinen, differenzierten Passagen der gewählten Literatur genau so perfekt inzenierte wie die kraftvollen, dynamischen Aufgipfelungen, das wunderschöne Dialoge zwischen solistischen Beiträge und dem Orchsterklang zelebrierte, absolut schlüssige Tempo- und Dynamikwechsel gestaltete und die Übergänge bewunderswert nahtlos in die Halle zauberte. Besonders eindrucksvoll: Wie extrem präzise und punktgenau die Musikerinnen und Musiker auf die erfreulich uneitle und höchst engagierte Stabführung ihres Leiters reagierten. Mösenbichler war anzumerken, dass er selbst von der Leistung seines Orchesters genau so begeistert war wie die 500 Zuhörer in der Halle. Die bejubelten alle neun Stücke des regulären Programms euphorisch – kein Wunder, dass die „klingenden Botschafter der Polizei“ – so das Schlusswort des Dirigenten – nicht ohne Zugabe von der großen Bühne gingen.Das Programm war höchst abwechslungsreich und begeisterte Traditionalisten und Experimentierfreudige unter den Zuhörern gleichermaßen. Wer gerne Gewohntes – auch in interessanter Variation – genießt, kam beim Konzertwalzer „Rosen aus dem Süden“ von Johann Strauß auf seine Kosten und auch bei dessen Schnellpolka „Leichtes Blut“. Schön, dass auch in bei diesen „Rennern“ keine Süßlichkeit herrschte, sondern dass auch hier die Musiker mit Präzision, Klarheit und Transparenz glänzten. Gefällige und zugleich anspruchsvolle Musik boten die Orchesterfassungen des Musicalsongs „Someone like you“ aus „Jekyll and Hyde“ und die Instrumentalversion des Liedes „Killing me soflty with his song“. Bei beiden Interpretationen dürfte kaum jemand Stimme und Text vermisst haben, zumalbeim Musicalsong Martin Ehlich mit seinem Flügelhorn mehr als ein Ersatz für die Sängerin war. Musikfeinschmecker freuten sich über die Titel, bei de-nen das Orchester seine großen Qualitäten voll ausspielen und zugleich das Potential symphonischer Blasmusik vorführen konnte.

Jules Levys „Große russische Fantasie“ bannte die Faszination der Weite russischer Landschaft in Töne und die Zuhörer belohnten das bruchlose Zusammenspiel von Orchester und Trompete mit lautem Jubel. Die brillante Leistung der jungen Trompeterin Gloria Aurbacher war dann auch Thema bei vielen Pausengesprächen. Ähnlich eindrucksvoll im zweiten Teil: Alfred Reeds Zweite Suite für Blasorchester mit den spannenden und variatenreichen vier Sätzen nach lateinamerikanischen Tänzen. Ganz eigene Versionen des karibischen Calypso, des sanften, fließenden brasilianischen Tango, des Scherzo eines argentinischen Trinklieds und eines Marsches aus Mexiko, der an einen Paso Doble erinnerte und einen schönen Kontrast zu preußischen Märschen bildete – für viele Zuhörer ein positiver Kontrast. Hätte man die neun Titel ein einer Art Hitparade bewerten lassen, dann lässt der Beifallssturm beim ersten Stück nach der Pause vermuten, dass die „Festive Overture“ op. 96 des Dimitri Schostakowitsch ganz weit vorne gelandet wäre – so ganz nebenbei ein Kompliment an den Musikgeschack des Publikums. Das hatte durchaus Sinn für die sensibel inszenierte Präsentation des Polizeiorchesters dieser Komposition zum 37.Jahrestag der Oktoberrevolution 1954 im Moskauer Bolschoi Theater. Es sollte eine „überschäumende Festmusik“ werden, allerdings ließ der Komponist ein Jahr nach Stalins Tod immer wieder durch Brüche und doppelbödige Elemente ahnen, wie sehr die Freiheit der Menschen – auch die Schostakowitschs – unter dem Dikator und seinem System gelitten hatte. Das Polizeiorchester interpretierte genau diese Haltung in bewunderswerter Klarheit und Differenzierung.

Zu einem perfekten und rundum begeisternden Konzert gehört natürlich auch ein Moderator, der ohne störende Selbstdarstellung seine Aufgabe angeht, mit Charme und einer schönen Mischung aus Informationen, locker servierten Hintergrundstories und hilfreichen Tipps für einen gesteigerten Hörgenuss. Und genau das tat der Moderator Peter Seufert, wenn er seine Klarinette zur Seite legte und zum Mikrophon griff.

Heinz Linduschka

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